Monat: Dezember 2020

Rückblick auf das Politik-Jahr 2020 (ausgenommen Corona)

Ein anstrengendes, spezielles Jahr neigt sich dem Ende zu. Wie das Leben aufgrund des Coronavirus auf den Kopf gestellt wurde, wird uns wohl lange in Erinnerung bleiben. Ich denke, diese sind uns hinlänglich bekannt durch die breite Berichterstattung in den Medien über das Coronavirus. Dies hatte vielleicht zur Folge, dass über andere politische Themen diskutiert wurde, obwohl sich diese sehen lassen. Ich versuche deshalb, sozusagen als Kompensation, in diesem politischen Jahresrückblick das Thema Corona möglichst kurz zu halten. Das Jahr war insbesondere für die GLP erfolgreich, stimmten die Stimmbürger doch meist entsprechend ihren Wahlempfehlungen.

Die erste Abstimmung fand Anfang Februar statt. Die Initiative für mehr bezahlbare Wohnungen scheiterte an 57% Nein-Stimmen und dem Ständemehr. Meiner Meinung nach ein klares Zeichen, dass städtische Probleme auf kantonaler, regionaler oder kommunaler Stufe gelöst werden müssen. Ein klares Ja (63%) gab es gegen Diskriminierung und Hass aufgrund der sexuellen Orientierung. Das heisst, gleichgeschlechtliche Paare werden in Zukunft von Verunglimpfung, Herabwürdigung und Hetze aber auch gewalttätige Übergriffe kollektiv geschützt. Als Umweltaktivist und Verekehrsplaner freute mich überaus, dass das Zürcher Stimmvolk das Verkehrsprojekt Rosengarten abgelehnt hat, welches eine Art Auto-Kehrtunnel auf 2×2 Spuren mitten durch die Stadt Zürich vorgesehen hätte. Leider wurde der 3. Autobahnanschluss Rorschach angenommen, aber das war im November 2019.
Wenig später drang die Spionageaffäre Crypto ans Licht der Öfffentlichkeit: Laut Recherchen der SRF-Rundschau, des ZDF und der Washington Post haben der deutsche Bundesnachrichtendienst BND und die CIA (USA) jahrzehntelang über 100 ausländische Staaten (Botschaftskommunikation, Armee und Polizei u.a. von Iran, Aegypten, Argentinien und Jugoslawien) über manipulierte Verschlüsselungsgeräte der Zuger Crypto AG abgehört. Dazu wurde die Firma 1970 von Strohmännern gekauft. Laut Aussagen eines Insiders und Hinweisen aus CIA-Dokumenten soll der damalige Bundesrat Villiger spätestens ab 1992 davon gewusst haben. Am 23. Juni eröffnet die Bundesstaatsanwaltschaft ein Strafverfahren.
Eine Untersuchung der Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments stösst auf Akten, die nicht im Bundesarchiv, sondern in einem alten Führungsbunker gelagert wurden, findet dort aber keine Hinweise, dass der Bundesrat von den Geheimdiensten über die Manipulationen bei Crypto informiert wurde. (Quelle)

Anfangs März fanden in vielen Kantonen Wahlen statt. Bei den kantonalen Wahlen konnte die GLP in den meisten Kantonen zulegen. Im Kanton St.Gallen, wo auch ich kandidierte, konnte die Anzahl Kantonsratssitze sogar verdreifacht werden, zudem wurden zwei JGLP-Mitglieder gewählt.

Ab Mitte März scheint es, als ob alle politischen Geschäfte, welche nichts mit Corona zu tun hatten, auf Eis gelegt wurden. Für eine Zeit stimmt es vielleicht auch. Die Zeit bis im Mai war geprägt vom Lockdown, Veranstaltungsabsagen, ersten und den Pressekonferenzen des Bundesrates, welche wir wie eine Netflix-Serie mit Spannung mitverfolgten, aber auch dem ersten Schweizer Todesopfer an Corona. Dennoch gab es Good News, zumindest für mich: In den Niederlande wurde für den Klimaschutz die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h auf 100 km/h reduziert.

Im April/Mai wurde, obwohl nicht mit den Pariser Klimaabkommen vereinbar, bekannt dass die Swiss und somit der Lufthansa-Konzern mit Milliarden durch den Bund unterstützt wird. Das Steuergeld wurde nicht wie von der GLP vorgeschlagen an klimapolitische Auflagen geknüpft. Auch wurde der Lockdown schrittweise gelockert, und die Grenzen für binationale Paare oder geschiedene Elternteile wieder geöffnet. Zuvor mussten sich Paare in Kreuzlingen/Konstanz am provisiorisch wiedererrichteten Grenzzaun treffen.
Aufgrund der Einschränkungen durch Corona und dem schönen Wetter gehen die Velo-Frequenzen durch die Decke, während der ÖV abnimmt und der Fahrplan ausgedünnt wird.
In Minneapolis USA erstickt bei einer Personenkontrolle der Afroamerikaner George Floyd weil ein Polizist 8 Minuten auf seinem Hals kniet. Der Fall löst weltweit Massenproteste gegen rassistische Polizeigewalt aus. Nach dem Vorfall plant der Stadtrat, die Polizei aufzulösen, weil sie nicht reformierbar sei. Andere US-Städte, u.a. New York kürzen die Polizeibudgets. Es folgen internationale Proteste zum Thema #BlackLivesMatter, auch in der Schweiz.
Der Mai ist der zwölfte Monat in Folge mit überdurchschnittlichen Temperaturen und damit verzeichnet die Schweiz auch die längste Wärme-Periode seit Beginn der Messungen 1864. Der bisherige Rekord von 9 Monaten stammt vom April bis Dezember 2018. (Quelle)

Im Juni traf sich das Parlament nach dreimonatiger «Pause» in den Hallen der Berner Ausstellung, um die Schutz-Auflagen einzuhalten. Der ÖV kehrt weitgehend zum normalen Jahresfahrplan zurück. Derweil melden Fahrlehrer ein erhöhtes Interesse an Fahrstunden. Viele Junge Leute hätten Angst, sich im ÖV anzustecken. Aufgrund von #BlackLivesMatter streicht Migros und Manor die Schokoküsse der Firma Dubler aus dem Sortiment, da der Lieferant sich weigerte die als abwertend empfundene Bezeichnung «Mohrenkopf» aufzugeben.
Der Nationalrat beschliesst mit der Revision des CO2-Gesetzes eine Lenkungsabgabe auf Flugtickets und eine Klimaabgabe auf Treibstoffen und Brennstoffen. Der Entscheid folgt auf eine zahnlose Fassung kurz vor den Wahlen im Herbst 2019. Der Klimajugend genügt das Gesetz noch nicht, die SVP verharrt in Fundamentalopposition.
Das Bundesgericht erklärt die städtische Volksinitiative für ein autofreies Zürich für ungültig, weil eine generelle Verkehrsbeschränkung nicht in der Kompetzenz von Kantonen und Gemeinden liegt.

In einer Volksabstimmung Anfangs Juli wird in Russland eine neue Verfassung angenommen, die die in vielen Ländern übliche Amtszeitbeschränkung für den Präsidenten abschafft. Die Ehe wird als Gemeinschaft von Mann und Frau festgeschrieben (entgegen dem europäischen Trend zur Zulassung von Ehen homosexueller Paare). Weiter verspricht die Vorlage jährliche Rentenanpassungen.
Aus Branchenkreisen wird verlautet, dass Boeing die Herstellung des legendären Grossraumflugzeugs Boeing-747 «Jumbo-Jet» noch im laufenden Jahr einstellen wird.
Das Bundesverwaltungsgericht spricht Bundesanwalt Michael Lauber wegen Amtspflichtverletzungen schuldig. Insbesondere wertet es die Aussagen Laubers zu angeblichen Erinnerungslücken bei unprotokollierten Gesprächen mit FIFA-Chef Giovanni Infantino als bewusste Lügen. Lauber erklärt sich zum Rücktritt bereit. Am 30. Juli eröffnet der ausserordentliche Staatsanwalt im Fall FIFA ein formelles Strafverfahren gegen FIFA-Chef Gianni Infantino und beantragt dem Parlament die Aufhebung der Immunität von Bundesanwalt Lauber. Dies beschleunigt den Abgang Laubers.
Seit zwei Jahren kommt es im Blausee bei Kandersteg immer wieder zu Fischsterben. Im Juli reicht das Fischzucht-Unternehmen Strafanzeige ein. Es besteht dringender Verdacht, dass bei der Sanierung des Lötschberg-Scheiteltunnels der BLS giftiger Altschotter in einer Kiesgrube beim See deponiert worden ist. Die zuständige Entsorgungsfirma behauptet, eine Deponie-Bewilligung des Kantons Bern zu haben. Die Grünen fordern eine Parlamentarische Untersuchungs-Kommission (PUK).

Im August wurde in Genua zwei Jahre nach dem Einsturz der Morandi-Brücke den Neubau eingeweiht.
Die Vereinigten Arabischen Emirate nehmen als drittes arabisches Land diplomatische Beziehungen mit Israel auf. Sie erhalten damit besseren Zugang zu Rüstungstechnologie und unterstreichen ihre Distanz zum Iran.
Die Carsharing-Genossenschaft Mobility will den Anteil der Elektroautos an der Flotte von heute rund 4% in 10 Jahren auf 100% steigern

Im September beantragt die Gemeinde Erstfeld beim Bundesamt für Verkehr (BAV) die Umbenennung der Haltestelle «Mohrenkopf». Ebenfalls im September nimmt der Migros-Onlineshop die «Zigeuner-Cervelats» aus dem Angebot.
Der Nationalrat beschliesst eine Förderabgabe von 1% des Umsatzes für schweizerische Filme und eine Quote von 30% europäischen Filmen für Streamingdienste. Für inländische TV-Anbieter gelten ähnliche Regeln schon seit Jahren, ebenso in der EU.
Die SVP empfiehlt den von ihr 2008 vorgeschlagenen Bundesrichter Yves Donzallaz nicht zur Wiederwahl, weil er zu wenig auf Parteilinie sei. Dies löst eine Debatte über die Unabhängigkeit der Justiz aus, Donzallaz wird vom Parlament gegen die Stimmen der SVP wiedergewählt.
Wie jedes Jahr wüten in Kalifornien grossflächige Waldbrände.
Die SBB vereinbaren mit den ÖBB den Ausbau beim Nachtzugangebot aus der Schweiz von 6 auf 10 Verbindungen in verschiedene Länder. Die ÖBB hat als einzige Bahngesellschaft Westeuropas noch einsatzfähige Schlafwagen.
Am 14. September erreignete sich die Messerattacke in Morges VD. Ein in Lausanne aufgewachsener türkisch-schweizerischer Doppelbürger ersticht in Morges VD einen Mann von hinten in einem Strassenrestaurant.
21.09.2020: AktivistInnen der Klimastreik-Bewegung ignorieren das generelle Demo-Verbot auf dem Bundesplatz während der Sessionen und besetzen während der Herbstsession den Bundesplatz. Ein Angebot der Stadtregierung für eine Bewilligung auf einem anderen Platz schlagen sie aus. Die Polizei räumt den Platz am Mittwoch. Das Parlament beschliesst ein CO2-Gesetz mit Lenkungsabgaben, die wesentlich weiter gehen als in der gescheiterten Fassung von 2019. Klimastreikende aus der Westschweiz wollen die SVP beim Referendum unterstützen. Spitzenpolitiker der Grünen und der SP sind enttäuscht, weil damit wieder wertvolle Zeit verloren geht, ohne dass Aussicht auf ein weiter gehendes Gesetz besteht.
Bei der Abstimmung Ende September wurde die Begrenzungsinitiative der SVP mit über 61% abgelehnt, und die höheren Kinderabzüge bei der direkten Bundessteuer mit 63%. Knapper wurde es beim revidierten Jagdgesetz, dafür wurde die Beschaffung von Kampfflugzeugen knapp angenommen. Was mich persönlich sehr freut, ist dass der zweiwöchige Vaterschaftsurlaub, als Gegenvorschlag zur zurückgezogenen Initiative mit vier Wochen, mit 60.3% angenommen wurde. Ausserdem wurde im Kanton Genf ein Mindestlohn eingeführt, und in der Stadt Zürich zum x-ten mal das Stadionprojekt Hardturm gutgeheissen.
Die Bundesversammlung hat zudem das revidierte Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus verabschiedet, welche allerdings Grund- und Menschenrechte sowie Kinderrechte verletzen. Die JGLP hat deshalb das Referendum gegen diesen Willkürparagraphen ergriffen, die Unterschriftssammlung unter den Corona-Einschränkungen gestaltet sich jedoch als schwierig.

Im Oktober sprechen sich 60% der CVP-Mitglieder für eine Fusion mit der BDP unter dem neuen Namen «Die Mitte» aus.
Mit neun Jahren Verspätung wird der neue Flughafen Berlin (BER) in Betrieb genommen. Die Eröffnung ist sechs Mal verschoben worden und der Bau hat statt der 1996 beschlossenen rund zwei letztlich rund sechs Mia. Euro gekostet. Grund dafür waren neue kommerzielle Anforderungen sowie mehrmals verschärfte Sicherheitsvorschriften während der Bauzeit.

Im November folgte schon eine weitere, schreckliche Messerattacke in einem Einkaufszentrum in Lugano. Eine psychisch kranke Schweizerin, die vor einigen Jahren in den Dschihad ziehen wollte, aber an der Einreise nach Syrien gehindert und in die Schweiz zurück geschickt wurde, verletzt mit einem Messer zwei Frauen, eine davon schwer.
Aufgrund der vielen Briefwahl-Stimmen wurde Joe Biden etwas verzögert zum neuen US-Präsident gewählt.
Schweizer Hochschulen wollen mit der künstlichen Beschneiung von Gletschern den klimabedingten Gletscherschwund stoppen oder zumindest bremsen. Nach Angaben des WWF sind allein in der Schweiz in den letzten 50 Jahren über 700 kleinere Gletscher vollständig verschwunden.
In der Volksabstimmung vom 29.11.2020 erzielt die Konzerverantwortungsinitiative mit 50.7% Ja mehr als einen Achtungserfolg, scheitert aber am Ständemehr. Die Kriegsgeschäfte-Initiative wird mit 57.5% Nein klar abgelehnt. Im Kanton Schwyz wird das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien mit 62% Ja angenommen.
Durch das Ja der Rechtskomission des Ständerats ist die Ehe für Alle von beiden Kammern bestätigt worden, somit kann sie noch 2020 beschlossen werden. Die GLP hat den Vorstoss 2013 eingereicht.

Im Dezember erfährt die Öffentlichkeit, dass mindestens seit März 2020 die Mehrzahl der Computersysteme der US-Regierung sowie systemrelevanter privater Firmen (z.B. Microsoft) von Hackern geknackt worden sind. Experten bezeichnen den Hack als derart professionell und aufwändig, dass eigentlich nur ein Geheimdienst einer Supermacht dahinter stecken könne. Der Angriff ist über kompromittierte Software-Updates einer Firma erfolgt, die eigentlich die Sicherheit der Computersysteme garantieren sollte.Präsident Trump hüllt sich in Schweigen, sein gewählter Nachfolger Joe Biden erklärt, dass die Cyber-Sicherheit ein Schwerpunkt seiner Regierung sein werde.
Am Vorabend des Heiligabends wird in einem Altersheim im Kanton Luzern die erste Person in der Schweiz gegen das Coronavirus geimpft.
Einen Tag später einigen sich Grossbritannien und die EU endlich auf ein Handelsabkommen nach dem Brexit, das die einjährige Übergangsphase dauerhaft ablösen soll. Der Deal sieht vor, dass keine Zölle erhoben und die Handelsmengen nicht beschränkt werden. Für die umstrittene Fischerei wurde mit der Reduktion der EU-Fangquoten in britischen Gewässern ein Kompromiss gefunden, der beide Seiten das Gesicht wahren lässt. Das britische Parlament soll dem Vertrag noch am 30.12.2020 zustimmen, das europäische Parlament wird ihn erst nachträglich im neuen Jahr bestätigen.

Fazit: 2020 war ein ereignisreiches Jahr, auch ohne Corona. Nur bestimmte die Corona-Krise die Presselandschaft. Stolz bin ich besonders auf das Ja zum Vaterschafts-Urlaub, wo ich mich auch etwas engagiert habe. Auch hoffe ich, dass der Ehe für Alle und der dringend benötigten CO2-Abgabe nichts mehr im Wege steht. Good News sind auch die höheren Velofrequenzen und der Ausbau des Nachtzug-Netzes. Allerdings hat das Thema Umweltschutz wegen Corona stark an Rückenwind verloren. Ok, 2020 war es schwierig, um das Thema herumzukommen, aber 2021 soll, sobald Corona wieder in den Hintergrund rückt, dort vorwärts gemacht werden. Noch immer gibt es keinen Plan wie wir die Pariser Klimaziele erreichen, und die Schweiz hinkt besonders im Bereich Verkehr nordischen Ländern wie Norwegen und Schweden hinterher. Dafür werde ich mich sicher weiter einsetzen.